Kulterinitiative Harleshausen e.V.

Bebauung im Geilebachtal

Stellungnahme „Kulturen der Nachhaltigkeit" (KdN) 30.01.2024

in der Kulturinitiative Harleshausen

im Rahmen der Offenlegung des Bebauungsplanes

an den

Magistrat der Stadt Kassel
Stadtplanung, Bauaufsicht und Denkmalschutz

Kassel, 30.01.2024


Stellungnahme – Bebauungsplan IV/25 „Im Grund – Hospiz“

Sehr geehrte Damen und Herren,

die geplante Bebauung im Plangebiet „Im Grund“ widerspricht den Werten und Grundlagen des Naturschutzgedanken.

Die Auewiese Im Grund 51/2 stellt sich nicht wie beschrieben als intensiv genutzte Fläche dar. Es ist nicht richtig, die Wiese als „hohe anthropogene Nutzung durch Nutzung von Spaziergängern, Hunde und Katzen geprägt“ zu charakterisieren. Der Verlust der Wiesenflächen an sich wird als nicht erheblich bewertet. Auch der Hinweis in der Faunaanalyse, dass die Wiese am Rande eine geringfügige Schotterung aufweist, soll ein Beleg dafür sein, dass die Wiese im Gesamten als Rudelaflur (erste Stadien der Vegetationsentwicklung) klassifiziert wird. Durch diese Bewertung wird die Wiese abgewertet und als bebaubar eingestuft.

Es gibt gegenteilige belegte Hinweise, dass die Wiese in einer wichtigen Sukzessionsentwicklung (gesetzliche Abfolge von Lebensgemeinschaften) steht.

Das Landschaftsschutzgebiet (LSG) trägt dazu bei, dass die Wiese einen biotopischen Wert aufweist.

Bereits in früheren Jahren, wie auch jetzt nach der Renaturierung, verlief die Geile in der Mitte des Auetales. Nicht zuletzt durch die Renaturierung hat die Geilebachaue eine geschichtliche, kulturelle und naturschützende Bedeutung in vielen Teilen der Bevölkerung. Das Geilebachtal ist von daher ein schützenswerter Bereich.


Das Geilebachtal-Plangebiet ist als Grünfläche für Sport- und Erholung ausgewiesen.

Durch den Beschluss des Zweckverbandes, zur Änderung des Flächennutzungsplanes, hat die Stadt dieses Areal als „Sondergebiet Hospiz“ ausgewiesen. Das Schutzgut Boden- und Grünfläche wird durch die Bebauung aufgehoben und verliert dadurch den Gebietscharakter der Auenlandschaft. „Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotential zu entfalten, dass sich mit der Zweckbestimmung des Baugebietes nicht verträgt.“

Der 10 Meter breite Gewässerrandstreifen ist „zum Teil im Geltungsbereich“, dies sollte Auswirkungen auf das Planungsverfahren haben … Verstoß gegen das LSG

Die Geilebachaue gehört zum Überschwemmungsgebiet. Aufgrund der letzten Starkregenereignisse im Juni 2023 und Ende Dezember 2023 ist an der „angrenzenden Geile“ mit Überflutungen zu rechnen. Die Stadt Kassel muss nach diesen Vorfällen Richtlinien für Überschwemmungsgebiete befolgen (Wasserhaushaltsgesetz, WHG).

„Überflutung wird in dem Planungsprozess berücksichtigt (Bebauungsplan)“

Zu befürchten ist jedoch, dass es durch Starkregen/Überschwemmungen zu problematischen Bauschäden kommen kann, bei Durchfeuchtung des Bodens können Baurisse entstehen.

Im Übrigen ist das Geilebach-Areal Quellgebiet. Eine Bebauung wäre somit ein Gefahrengebiet.

Das geplante Bauwerk mit den Terrassen wirkt aus nördlicher (LSG) und westlicher Sicht

sehr voluminös und prägend. Obwohl das Bauwerk leicht in den Hügel eingeschoben werden soll, strahlt es negativ auf das Landschaftsschutzgebiet aus. Eine 60-70 % ige Überbauung und Versieglung der Planfläche ist im Grundsätzlichen abzulehnen.

Unentschuldbar ist, dass durch die Bebauung die Feldgehölzreihe südlich komplett entfernt werden soll.

Die heimische Tierwelt wird zur Migration gezwungen. Vögel und Fledermäuse sollen eine neue Heimat finden, u.a. auf dem Friedhof Harleshausen. Dies würde zu einer biotopischen Habitat-Dysfunktion führen. Ein Vorkommen der Haselmaus ist nicht auszuschließen (lt. BP). Aus biologischer und ethischer Sicht ist eine Vertreibung von Lebensgemeinschaften wie Flora und Fauna nicht zu verantworten und schließt eine Bebauung aus.


Die Ausgleichfläche weist ein Flächenmaß von 119 x 9 qm auf, und ist 300 m von der Auewiese „Im Grund“ entfernt. Das schmale „Handtuch“ von Ausgleichfläche wird dem Natur- und Habitatswert „Im Grund“ nicht gerecht. Kompensationsmaßnahmen müssen auf die tatsächlich vom Eingriff betroffenen Bereiche/Funktionen ausgerichtet sein, um diese gleichartig bzw. gleichwertig wiederherzustellen. Dies ist nicht der Fall, so dass auch aus diesem Grund eine Bebauung abzulehnen ist.

„Eigentlich“ muss für eine kompensierte Fläche eine entsprechende versiegelte Fläche entsiegelt werden. Die EU beschäftigt sich mit diesem Thema und wird infolgedessen eine Renaturierungsverordnung beschließen.


Die Klimafunktionskarte (KFK) stellt sich in unterschiedlichen bildlichen und textlichen Darstellungen und Bewertungen dar. Der Zweckverband Raum Kassel verweist auf die Klimafunktionskarte 2019, dass das Planungsgebiet im Überströmungsbereich und im Kaltluft- und Frischluft-Entstehungsgebiet liegt. Der Kartenauszug des städtischen Informationssystems – Datum ist nicht vermerkt – sagt genau das Gegenteil aus.

Die KFK des ZRK von 2019 ist Bewertungsgrundlage des Bauleitungsverfahrens.

In den letzten Jahren hat sich jedoch die Klimaproblematik in unterschiedlichen Formaten entwickelt, so dass konstatiert werden muss, ob sensible Klimadaten bei der Bewertung einer solchen Bebauung einfließen müssen. Es reicht nicht aus, dass die Fläche in ihrer Funktion nur eine allgemeine Bedeutung für das Klima hat, laut Umweltbericht.

Leider wird die Klimaproblematik seitens der Stadt nicht ernsthaft angegangen und umgesetzt.

Mangelnde Transparenz was die Suche nach einem alternativem Hospiz-Standort anstelle „Im Grund“ angeht. Mehrere Anfragen bezüglich alternativer Standorte bzw. Bausubstanzen verliefen seitens der Stadt ergebnislos, ohne Begründung und Nachweise.

Das Liegenschaftsamt sagt dazu lediglich, etwaige alternative Standorte sind betrachtet und abgestimmt worden, ehe man sich auf die vorliegende Fläche geeinigt habe.

Es fehlen öffentliche Informationen für die Bürgerinnen und Bürger, was die Alternativenprüfung und letztlich das Auswahlverfahren angehen.

Auch die Ev. Altenhilfe Hofgeismar hat alternative Vorschläge und Standorte verworfen - die Gründe sind nicht nachvollziehbar - und sich wie auch die Stadt auf das Grundstück „Im Grund“ fixiert.

Nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist Menschenschutz von Bedeutung, denn eine Vernachlässigung oder Schädigung der Umwelt hat auch unmittelbar Auswirkung auf den Menschen.

§1, Abs. 1:

Natur und Landschaft sind auf Grund ihres eigenen Wertes und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen auch in Verantwortung für die künftige Generationen …

Gesundheitliche Aspekte für die vor Ort lebende Bevölkerung

Neben den umwelt- und klimabezogenen und auch messbaren Folgen von Grünflächenversiegelungen gibt es nach neueren Erkenntnissen direkte Einflüsse auf die Gesundheit der Anwohner. Gesicherte umfangreiche Studien haben ergeben, dass eine größer werdende Grünfläche in urbanen Wohngebieten mit einer sinkenden Zahl verfrühter Todesfälle einhergeht.

Die gesundheitlichen Aspekte der Grünflächenversiegelung „Im Grund“/Hospiz korrelieren sowohl zu den Nachhaltigkeitszielen SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen) als auch zu SDG 11 (nachhaltige Städte und Gemeinden) der Agenda 2030 der UN. Unter umweltmedizinischen Gesichtspunkten ist die Gesundheitsvorsorge der anliegenden Bevölkerung relevant.

Die weitaus größere Zahl aller Veröffentlichungen zu dieser Thematik legt eindeutig nahe, dass aus umweltmedizinischen und gesundheitsvorsorgenden Kriterien eine Versiegelung der in Frage stehenden Grünfläche abzulehnen ist.


Mit freundlichen Grüßen


Helmut Hartmann      Dr. Wolfgang Günther




Stellungnahme KdN 24.09.23

An alle Stadtverordneten und Entscheidungsträger der Stadt Kassel alle Mitglieder des Zweckverbandes Raum Kassel sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger


Betreff:  * Öffentliche ablehnende Stellungnahme zum Bebauungsplan der Stadt Kassel Nr. IV/25 "Im Grund- Hospiz",   
            Flurstücke 51/2 u7nd 211/5, Flur 7, Gemarkung Harleshausen)
          * Nein zu weiteren Versiegelungen von Grünflächen im städtischen Raum!
          * Für ein klimaneutrales Kassel bis 2030!

Seit Anfang dieses Jahres bezieht eine Bürgerinitiative in Zusammenarbeit mit dem Forum Kulturen der Nachhaltigkeit (KdN) in der Kulturinitiative Harleshausen Stellung gegen die Bebauung des o.a. direkt längs des Geilebaches liegenden und voll mit Wiese, Bäumen und Gebüsch bewachsenen Grünflächengrundstückes in der Größe von 3.180 qm, was etwa einem halben Fußballfeld entspricht.

Die Versiegelung einer Fläche dieser Größe in einem schon grenzwertig zugebauten Umfeld widerspricht unserer Meinung nach allen vernünftigen Vorstellungen von einem Weg zu einem klimaneutralen Kassel 2030. Dazu kommt der Umstand, dass der Zweck der Bebauung bei entsprechendem Willen auch andernorts in bereits umbautem Raum der Stadt realisiert werden kann. Wir denken, dass die hier geplante Bebauung erneut in heftiger Weise bestätigt, was inzwischen sattsam bekannt ist: In Bezug auf Klima- und Umweltschutz haben wir kein Problem der Erkenntnis, sondern eins der Umsetzung. Alle (und im Internet leicht erreichbaren) ökologischen, stadtplanerischen und gesundheitsrelevanten Erkenntnisse sprechen gegen eine Versiegelung dieser Fläche. Der Wert von Grünflächen im städtischen Raum als vorbeugende Maßnahme gegen Hitzeperioden und Starkregen, zur Verbesserung der Luftqualität und für Möglichkeiten der Naherholung sowie der Gesundheitsvorsorge ist inzwischen allgemein verstanden worden. Wir sollten besser dem Grundsatz folgen "So grün wie möglich, so dicht wie nötig."

Im Folgenden präzisieren wir kurz unsere Argumente, die wir durch entsprechende offizielle Verlautbarungen jederzeit detaillieren können. Insbesondere weisen wir hin auf die ablehnende Stellungnahme des Regierungspräsidiums Kassel unter dem Aktenzeichen RPKS -27 -46 b 0223/15- 2017/36 vom 10.11.2022 (Obere Naturschutzbehörde). Aber auch die Stellungnahmen der Unteren Naturschutzbehörde und von Kassel Wasser enthalten ablehnende Inhalte.

1. Die Bürgerinitiative Die Bürgerinitiative wendet sich nicht gegen ein neues Hospiz, sondern gegen die Versiegelung dieser großen Grünfläche direkt längs des Bachlaufs der Geile durch jede Art von Bebauung. Diese würde sowohl dem Hochwasserschutz nach dem Hessischen Wassergesetz, als auch den Zielen der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie der EU-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie widersprechen. Weiterhin würden die Funktionen dieser großen Fläche als Kaltluftentstehungsgebiet und -abfluss- bahn sowie die Biotopfunktion (Naturschutz), sowie im Leitbild für den Geilebach nach dem Land- schaftsplan vorgesehen, einschneidend beeinträchtigt. Die Bürgerinitiative bemängelt weiterhin, dass keine Alternativen für die Bebauung der unversiegelten Grünfläche nachweislich geprüft und veröffentlicht wurden, wozu insbesondere die Nutzung schon versiegelter Flächen oder leerstehender Gebäude (wie die der Diakonie in der Goethestraße) gehören würden.

2. Stellungnahme der Oberen Naturschutzbehörde (RP Kassel) Diese bestätigt im Wesentlichen die von der Bürgerinitiative vorgetragenen Argumente, die durch rechtliche Aspekte des Natur- und Landschaftsschutzes noch verstärkt werden. Insbesondere wird hiernach die teure Renaturierung des Geilebaches im Jahre 2018 als Verrechnungsmaßnahme für andere nicht nachhaltige Projekte durch dieses Projekt jetzt in Gänze konterkariert.

3. Gesundheitliche Aspekte für die vor Ort lebende Bevölkerung Neben den umwelt- und klimabezogenen und auch messbaren Folgen von Grünflächenversiegel- ungen gibt es nach neueren Erkenntnissen direkte Einflüsse auf die Gesundheit der Anwohner. Gesicherte umfangreiche Studien haben ergeben, dass eine größer werdende Grünfläche in urbanen Wohngebieten mit einer sinkenden Zahl verfrühter Todesfälle einhergeht. Konkret geht es um einen Rückgang von 4 Prozent bei verfrühten Todesfällen durch einen Zuwachs von 0,1 % Vegetation für Menschen in einem Umkreis von 500 Metern zu Grünflächen. Und man hat herausgefunden, dass Menschen, die in einem Umkreis von fünf Kilometern mit 30 % Grünfläche leben biologisch etwa 2 ½ Jahre jünger sind als diejenigen mit nur 20 % Grünfläche und dass der Verbrauch von Psycho- pharmaka und Blutdruck- und Asthmamedikamenten in grünflächennahen Wohngebieten um 25 bis 33 % niedriger ist. Hinzu kommen auch noch die gesundheitlichen Aspekte des zunehmenden Verkehrs in dem ohnehin schon extrem dicht besiedelten Quartier längs der Geileaue in Harleshausen.

4. Grundsätzliches * Die Bodenversiegelung in Kassel liegt mit 260 qm/Tag an 22. Stelle der 50 bodenverbrauchs- höchsten Städte Deutschlands. * 1.000 qm Grasfläche produziert Sauerstoff für 15 Personen und absorbiert das Kohlendioxid von 3 – 4 Autos. * Das Projekt widerspricht in wesentlichen Teilen auch dem Ziel 11 der Agenda 2030 der UN (17 Nachhaltigkeitsziele), nämlich Städte inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten.

Wir gehen davon aus, dass es * angesichts fehlender Bedarfsanalyse, * mangelnder Prüfung von Alternativen, * möglichen Vorfestlegungen und * einer Unterschätzung der ökologisch und gesundheitlich schädlichen Folgen für eine Bebauung/Versiegelung dieser großen Fläche in einem derart dicht besiedelten Quartier zum gegenwärtigen, und wahrscheinlich auch zu jedem zukünftigen Zeitpunkt, keinen Grund gibt für die Verantwortlichen unserer Stadt, dieses Projekt weiter zu verfolgen.

Danke für Ihr Interesse
Dr. med. Wolfgang Günther / Helmut Hartmann
- Forum KdN in der KIH